17. Auflage – Rick Minnich, Berlin
Spielregeln:
Ein Studio, eine Wohnung, eine Telefonverbindung.
Der Gastgeber hat 1 Blatt Papier, 1 Stift, 1 Mikrophon
Der Gast hat alles zur Verfügung, was er in Reichweite seines Telefons erreichen kann
Keine Musik
Dauer: 60 Minuten
Von allen Arten des menschlichen Gedächtnisses sei das autobiographische das anfälligste, schreibt der niederländische Psychologiehistoriker Douwe Draaisma in seinem wunderschönen Erinnerungsbuch Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird. Auch wenn "alles weg" ist - das letzte Weihnachtsfest, zum Beispiel, das Gefühl für eine bestimmte Person, die Beziehung zu einem bestimmten Ort - bleibt bei Amnesien oft die Sprache, bleibt das Gefühl für Symbole. So weiß ein Amerikaner, zum Beispiel, der unter Amnesie leidet noch, dass er ein Amerikaner ist, und wenn er eine Straße sieht, weiß er: dass ist eine Straße.
Wenn "alles weg" ist, gilt umso mehr der berühmte Rimbaud-Satz "Ich ist ein anderer" - das autobiographische Gedächtnis ist schließlich eine wesentliche Bedingung dessen, was wir unter Identität verstehen. Durchaus passend also, dass der Filmemacher Rick Minnich, wenn er in seinem letzten Film von der Amnesie seines Vaters erzählt gleich am Anfang folgendes sagt: "Please, Stop calling me dad; I'm the new Richard now." Der Dokumentarfilm Forgetting Dad entstand fast 20 Jahre, nachdem Richard Minnich Senior nach einem Autounfall das Gedächtnis verlor. Der Film, den Minnich Junior gemeinsam mit Matt Sweetwood gedreht hat, handelt von einer Vatersuche, vor allem handelt er aber von einer Familie, die es so ohne den "new Richard" gar nicht gegeben hätte: In den Erzählungen der Halbgeschwister, der Halbstiefgeschwister, der zweiten Frau des Vaters, der Schwager und Halbschwager genauso wie der eigenen Schwestern und der Mutter wird klar: dieser größere Familienzusammenhang wird (auch) dadurch zusammengehalten, dass jeder auf seine Art und Weise mit der Amnesie klarkommen muss.
Der Gast
Für Rick Minnich, 1968 in Kalifornien geboren und in Kansas und Arkansas aufgewachsen, war es - wie schon für einige frühere Filmprojekte - eine Rückkehr in die Vereinigten Staaten, die er 1989 (also ein Jahr vor dem Unfall) in Richtung Europa verließ. Minnich hatte an der Columbia University in new York City studiert, sich dann nach Aufenthalten in Wien und Riga schließlich in Berlin niedergelassen, wo er heute mit seiner Familie lebt.
An der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Babelsberg studierte er Regie. Für seinen Abschlussfilm Heaven on Earth wurde er 2001 mit dem Babelsberger Medienpreis ausgezeichnet. 2005 feierte sein erster Featurelenght-Film als freier Autor, Homemade Hillbilly Jam, auf dem Hot Docs Film Festival in Toronto seine Weltpremiere. 2008 wurde Forgetting Dad auf dem Amsterdamer Dokumentarfilmfestival uraufgeführt und gleich mit dem Special Jury Award bedacht. |